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September 2020 / INVESTMENT INSIGHTS

Chancen und Risiken in einer Welt der niedrigen Renditen

Darum sollten Anleiheanleger über die aktuellen Renditeniveaus hinwegsehen.

Die wichtigsten Punkte

  • Staatsanleihen bieten weiterhin Wertpotenzial, auch weil die Anleihekaufprogramme der Zentralbanken Unterstützung bieten.
  • Hochzinsanleihen oder auch verbriefte Kredite bieten Möglichkeiten, während Investment-Grade-Unternehmensanleihen fair bewertet erscheinen.
  • Künftig dürften die Titelselektion und die Fähigkeit, weiterhin flexibel zu agieren, die Haupttreiber für die Wertentwicklung sein.


Wie geht es an den Anleihemärkten weiter? Die Staatsanleiherenditen sind extrem tief gesunken, und die meisten Kreditspreads sind wieder so niedrig wie vor der Coronavirus-Pandemie. Daher fragt sich mancher Anleger nun, wieviel Wertpotenzial Anleihen wohl noch bieten. In dieser Frage-und-Antwort-Runde erklärt Arif Husain, der Lead Portfolio Manager für die Dynamic Global Bond Strategy, wo er in den nächsten sechs Monaten die besten Möglichkeiten sieht.

Frage: Arif, zunächst einmal, trifft es zu, dass die Anleihemärkte kaum noch Wertpotenzial bieten?

Antwort: Es besteht ein weit verbreiteter Irrglaube, dass es bei der Generierung von Alpha einzig und allein darum geht, wie hoch die Rendite einer Anleihe ist. Im aktuellen Umfeld kommen noch viele andere Faktoren ins Spiel, etwa die Streuung, die Volatilität und die Form der Renditekurven. Auch diese bieten Möglichkeiten. Wenn man diese Faktoren ignoriert und Anleihen nur meidet, weil die Zinssätze niedrig sind, könnte man das Nachsehen haben.

Ganz klar, Staatsanleihen besitzen immer noch Wertpotenzial. Anleger sollten sich keinesfalls gegen die Zentralbanken stellen – deren expansive Politik, etwa in Form von groß angelegten Anleihekaufprogrammen, ist ein Anker für die kurzfristigen Staatsanleihen der meisten Industrieländer. Und auch bei einer geschickten Titelselektion an den Kreditmärkten bieten sich sehr gute Möglichkeiten. Es scheint, dass wir von einem Beta-Markt, in dem die Kreditmärkte völlig losgelöst von den zugrunde liegenden Fundamentaldaten der Unternehmen stark zulegten, nun auf einen Alpha-Markt zusteuern. Ich bin davon überzeugt, dass die Streuung künftig noch weiter zunehmen wird. Aktiven Managern bieten sich dann Möglichkeiten, Alpha zu generieren, wenn sie zum einen die solideren Unternehmen identifizieren und zum anderen jene mit schwächeren Fundamentaldaten meiden, die zurückbleiben dürften oder bei denen sogar potenzielle Ausfälle drohen.

Auch an den Währungsmärkten lohnt es sich, genauer hinzusehen, weil das Ende der mehrjährigen Stärkephase des US-Dollar nun bevorstehen könnte. Es gibt mehrere Hinweise darauf, dass der US-Dollar vor einer Schwächephase stehen könnte, unter anderem die extrem lockere Politik der US-Notenbank (Fed) und der Umstand, dass sich die Wirtschaft in den USA langsamer erholen dürfte als in anderen Ländern. Wir stehen möglicherweise vor einem bedeutenden Wendepunkt, der für andere Währungen wie den Euro den Weg nach oben frei machen könnte.

F: Sprechen Sie sich noch immer mit Nachdruck für eine erhöhte Duration in Portfolios aus?

A: Ja, die Duration bleibt ein wirksames Hilfsmittel. Das Umfeld ist überaus unsicher. Viele potenzielle Risikoereignisse könnten Volatilitätsschübe oder eine Flucht in erstklassige Staatsanleihen auslösen. Die anstehende US-Präsidentschaftswahl zum Beispiel ist für die Finanzmärkte eine große Unbekannte.

Die Staatsanleiherenditen in den Industrieändern sind bereits niedrig, könnten aber noch weiter sinken. Die 10-jährigen deutschen Bundesanleihe etwa bewegt sich gerade einmal in der Mitte der Spanne des Jahres 2019. Die Rendite könnte also noch weiter sinken. Auch in den USA könnten die Staatsanleiherenditen durchaus noch weiter nachgeben und sich in einer neuen, tieferen Spanne einpendeln, solange es noch keinen Impfstoff gegen das Coronavirus gibt. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Renditen in einigen Segmenten des Marktes für US-Staatsanleihen ins Minus rutschen, auch wenn die Fed die Zinsen wohl nicht bis unter 0% senken wird. In Großbritannien etwa hat die Schuldenverwaltung des Landes im Mai dieses Jahres erste Staatsanleihen mit negativer Rendite begeben – obgleich der Leitzinssatz positiv ist.

F: Wo sehen Sie an den Kreditmärkten Wertpotenzial?

A: Möglichkeiten gibt es durchaus, man muss nur etwas intensiver danach suchen.

Seit Erreichen der Tiefstände im März haben sich Kreditpapiere wirklich gut entwickelt, vor allem Investment-Grade-Unternehmensanleihen, bei denen im Großen und Ganzen praktisch kein Beta mehr vorhanden ist. Erinnern wir uns daran, dass die Prämie, die Anleger für den Besitz von Unternehmensanleihen verlangen, in drei Komponenten zerlegt werden kann: eine für das reine Kreditrisiko (gekoppelt an das Ausfallrisiko), eine für das reine Liquiditätsrisiko und eine für das reine Marktrisiko. Eine aktuelle Studie unseres Teams von quantitativen Analysten zeigt, dass die Prämien für das Liquiditäts- und das Marktrisiko bereits wieder auf ihre langfristigen Durchschnittsniveaus zurückgekehrt sind. Zusätzliche Gewinne im Investment-Grade-Segment wären daher nur möglich, wenn die Komponente für das reine Kreditrisiko nachgibt. Das ginge nur, wenn die Ausfallerwartungen sinken und zudem die Erholung der Weltwirtschaft Tempo aufnimmt und die Erwartungen übertrifft.

Auffällig ist, dass die Prämien im Hochzinssektor im Vergleich zu Investment-Grade-Anleihen noch immer relativ hoch sind. Besonders interessante Chancen bieten sich bei den sogenannten „gefallenen Engeln“ – Anleihen, die von Investment Grade in die BB-Kategorie herabgestuft wurden – von ausgewählten Emittenten aus Bereichen mit Bezug zur Energie oder aus dem Immobiliensektor. Das steigende Ausfallrisiko und die niedrigen Erlösquoten sind uns aber natürlich nicht unbekannt: Wie J.P. Morgan Ende Juni mitteilte, lag die Erlösquote bei notleidenden Hochzinsanleihen in den letzten zwölf Monaten im Schnitt bei 17 Cents je US-Dollar, also weit unter dem Jahresdurchschnitt der letzten 25 Jahre von rund 40 Cents je US-Dollar. Deshalb kommt es so sehr auf eine gute Titelselektion an. Wir sind zuversichtlich, dass wir mit Unterstützung durch unser globales Team von Kreditanalysten fundamental solide Unternehmen finden, die sich langfristig sehr gut entwickeln dürften.

Attraktives Wertpotenzial bieten auch verbriefte Kredite. Die Entwicklung einiger Segmente dieses Markts ist nämlich noch immer von den Fundamentaldaten losgelöst, vor allem in Branchen, die das Virus sehr hart getroffen hat. Interessant erscheinen insbesondere Non-Agency und Commercial Mortgage‑Backed Securities. Wie im Hochzinssektor kommt es auch hier darauf an, Gewinner von potenziellen Verlierern zu unterscheiden. Unser spezialisiertes Team von Analysten für verbriefte Kredite konzentriert sich auf die Auswahl von Titeln, die viel Aufwärtspotenzial besitzen, wenn es zur Erholung kommt, bei denen das Abwärtsrisiko aber begrenzt ist, falls sich die Erholung länger hinzieht als erwartet.

F: Welche Fähigkeiten braucht man Ihrer Ansicht nach, um das aktuelle Marktumfeld gut zu überstehen?

A: Erstens: Flexibilität – also die Fähigkeit, an verschiedenen Märkten zu verschiedenen Zeitpunkten Wertsteigerungen zu erzielen. Maßgeblich für die Wertentwicklung waren dieses Jahr ganz verschiedene Faktoren: im 1. Quartal in erster Linie die Duration, im 2. Quartal vor allem der Kreditsektor und in letzter Zeit hauptsächlich die Währungsmärkte. Die Fähigkeit zur flexiblen Neuallokation der Risiken im globalen Anleiheuniversum war und ist enorm wichtig; ich erwarte, dass dies so bleiben wird.

Zweitens: Wenn es neue Erkenntnisse und Informationen gibt, müssen wir bereit sein, schnell etwas an unserer Strategie zu ändern. Nehmen wir zum Beispiel die Duration. Ein Impfstoff oder auch ein Politikwechsel einer großen Zentralbank wie der Fed könnte die Spielregeln von Grund auf ändern – mit spürbaren Auswirkungen auf die Staatsanleiherenditen. Schnell auf Veränderungen der Marktlage reagieren zu können ist daher das A und O.

Drittens: Ich glaube fest daran, dass eine erfolgreiche Titelselektion ein enorm wichtiger Faktor werden wird, da für Zugewinne an den Märkten künftig das Alpha im Kreditsektor sorgen dürfte. Es geht nicht darum, einfach nur die Gewinner zu finden. Genauso wichtig ist es, einen Bogen um die Verlierer zu machen, vor allem wenn es in den nächsten Monaten häufiger zu Ausfällen kommen dürfte. Damit uns das gelingt, legen wir den Schwerpunkt auf das Bottom-up‑Research. Wir haben unsere große, weltumspannende Plattform mit spezialisierten Analysten, die jeden größeren Sektor an den Anleihemärkten abdecken, um weitere fähige Leute erweitert.

F: Was könnte Veränderungen an den Anleihemärkten auslösen?

A: Die wohl größte Unbekannte ist die US-Präsidentschaftswahl im November. Deren Ausgang ist praktisch nicht vorhersagbar. Alles ist möglich, ein deutlicher Sieg einer der beiden Parteien oder auch ein langwieriger juristischer Konflikt. Es kann Wochen dauern, bis das Endergebnis bestätigt ist. Dann drohen Unsicherheit und wohl auch Volatilität. Wir müssen bereit sein, diverse mögliche Szenarien zu beurteilen, und dürfen der kurzfristigen Volatilität nicht zu viel Gewicht beimessen. Stattdessen sollten wir eher die langfristigen Folgen und die Möglichkeiten beurteilen, die sich daraus ergeben könnten.

Jedes Indiz, dass die Zentralbanken die Märkte weniger entschlossen unterstützen, könnte die Spielregeln ebenfalls von Grund auf verändern. In der Vergangenheit war es großen Zentralbanken wie der Fed gewöhnlich sehr wichtig, so schnell wie möglich die Zinssätze anzuheben und die Bilanz zu reduzieren. Sobald wir Hinweise hierauf erkennen, müssen wir rasch handeln, denn das Taper Tantrum von 2013 könnte sich durchaus wiederholen. Diesmal würde es aber nicht nur Staats-, sondern auch Unternehmensanleihen treffen.

Sollte die Inflation nach oben überraschen, könnte dies auch Veränderungen auslösen. Jeder glaubt, die Inflation sei tot. Doch das ist sie vielleicht nicht überall. In den Ländern Zentral- und Osteuropas zum Beispiel könnte der Preisdruck wachsen. Auch der US-Wahlausgang könnte die langfristigen Inflationserwartungen beeinflussen.

Der letzte Punkt schließlich ist das Coronavirus. Hier bewegen wir uns nach wie vor auf unbekanntem Terrain. Zweite Wellen und weitere Shutdowns sind eine reale Gefahr für die globale Konjunkturerholung. Wir beobachten, dass die Konjunkturdaten offenbar der Entwicklung in Sachen Covid-19 – der vom Coronavirus verursachten Erkrankung – mit einer Verzögerung von sechs Wochen folgen. Keine Überraschung also, dass die US-Konjunkturdaten nach einer ersten starken Verbesserung in letzter Zeit nach und nach wieder schlechter ausfielen.

 

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