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Juli 2021 / MARKETS & ECONOMY

In unruhigeres Fahrwasser

Die Gelassenheit an den Aktienmärkten täuscht

Ein weiterer Monat, ein weiterer Anstieg der wichtigsten Aktienindizes. Tatsächlich verläuft die Entwicklung an den Aktienmärkten seit etwa sechs Monaten sehr glatt – zumindest könnte man dies bei oberflächlicher Betrachtung vermuten. Doch ein genauerer Blick zeigt, dass neue Gegenbewegungen entstehen und sich allmählich Spannungen aufbauen. Was bedeutet das für die Finanzmärkte?

Meiner Ansicht nach wurde die starke Performance von Risikoanlagen durch zwei wesentliche Faktoren unterstützt. Der erste – und wahrscheinlich wichtigste – Faktor ist die Tatsache, dass sich die Wirtschaft noch am Beginn der „Expansionsphase“ des Konjunkturzyklus befindet. Neben dem Nachholbedarf (der ein schnelles Wachstum ermöglicht) ist derzeit eine geringe Auslastung der Ressourcen zu verzeichnen (sodass die Zentralbanken gern bereit sind, zur Unterstützung dieses Wachstums auf eine Straffung der Geldpolitik zu verzichten). Mit anderen Worten: Das aktuelle Umfeld ist für Risikoanlagen sehr günstig. Der Wechsel zur nächsten Phase des Konjunkturzyklus wird nicht über Nacht erfolgen, doch wenn etliche Länder ihre Wirtschaft wieder vollständig öffnen und die aufgestaute Nachfrage allmählich abgebaut wird, dürfte er beginnen. Wenn dieser Punkt erreicht ist, wird eine stärkere Auslastung der Ressourcen auch eine straffere Geldpolitik rechtfertigen.

Der zweite Faktor, der Risikoanlagen bisher zugutekommt, ist die Liquidität: In den letzten 16 Monaten erhielten die Märkte Auftrieb durch eine bis dato beispiellose Liquiditätsflut. Im Gegensatz zum Konjunkturzyklus kann sich die Liquidität recht schnell ändern – und meiner Ansicht nach stehen wir kurz vor einem Wendepunkt. Das US-Finanzministerium hat in den letzten fünf Monaten massive Ausgaben getätigt, die es durch die Inanspruchnahme seiner im historischen Vergleich hohen Barmittelbestände bei der US-Notenbank (Fed) finanziert hat. Diese Beschleunigung der quantitativen Lockerung (QE) hat sich zuletzt intensiviert und wird meiner Meinung nach in den nächsten Monaten wieder nachlassen. Die Anleger haben die Ausweitung der QE jedoch nur unzureichend beachtet (was angesichts der zahlreichen Ablenkungen vielleicht verständlich ist) und dürften daher von der Umkehr dieses Trends überrascht werden.

... allein die Erwähnung einer möglichen Drosselung der Stützungsmaßnahmen weckt Erinnerungen an das „Taper Tantrum“ von 2013 ...

Die Fed denkt allmählich über eine Drosselung nach

Ein weiteres Problem für die Liquiditätsversorgung entstand, als der Offenmarktausschuss der Fed (FOMC) in seiner Sitzung vom Juni erklärte, es sei an der Zeit, über eine Drosselung des offiziellen QE-Programms der US-Notenbank nachzudenken. Die Fed wird die quantitative Lockerung selbstverständlich nicht schlagartig beenden, sondern ihre Wertpapierkäufe im Verlauf des Jahres 2022 wahrscheinlich schrittweise reduzieren. Doch allein die Erwähnung einer möglichen Drosselung der Stützungsmaßnahmen weckt Erinnerungen an das „Taper Tantrum“ von 2013 und könnte einige Anleger veranlassen, den Markt für Risikoanlagen künftig konservativer zu beurteilen.

Diese Entwicklung zeichnet sich weltweit ab. In den letzten Monaten haben die Zentralbanken in einigen Peripherieländern begonnen, ihre Geldpolitik zu straffen, indem sie sowohl ihre QE-Programme abbauen als auch die Zinsen erhöhen. Bisher hat sich diese Tendenz kaum auf die Finanzmärkte ausgewirkt, da die wichtigsten Zentralbanken – die Europäische Zentralbank und die Fed – an einer ausgeprägt expansiven Geldpolitik festhalten. Eine wachsende Zahl von FOMC-Mitgliedern steht diesem lockeren geldpolitischen Kurs jedoch zunehmend kritisch gegenüber.

Besonders deutlich wurde ihre Besorgnis während der Juni-Sitzung der Fed, als einige von ihnen erklärten, dass sie in den nächsten ein bis zwei Jahren mit Zinserhöhungen rechnen. Ich denke, dass diese restriktiv eingestellten Mitglieder, die vermutlich nicht zu den wichtigsten Entscheidungsträgern im FOMC zählen, auf einige Inflationsdaten überreagieren. Damit will ich nicht sagen, dass die Zinsen bis Ende 2023 unverändert bleiben sollten – höchstwahrscheinlich wird sich die Wirtschaft bis dahin deutlich erholt haben, sodass Zinserhöhungen völlig angemessen sind. Ich bin lediglich der Ansicht, dass sich Diskussionen über Zinserhöhungen fast genauso auf die Finanzmärkte auswirken wie eine tatsächliche Straffung der Geldpolitik – und die Fed hat die Zinsdebatte gerade noch einmal angeheizt.

... ich erwarte, dass das Marktgeschehen im Herbst für Anleger deutlich schwieriger wird ...

Im Herbst droht Volatilität

Welche Folgen hat dies für die Finanzmärkte? Ich denke, dass die wichtigste Triebkraft – die Phase des Konjunkturzyklus – für Anleger nach wie vor ein günstiges Umfeld schafft. Daher dürften die Aktienmärkte den Weg des geringsten Widerstands wählen und weiter aufwärts tendieren. Die Trendwende bei der Liquiditätsversorgung und die Diskussion darüber, wann die Fed die Zinsen erhöhen und ihre Wertpapierkäufe reduzieren wird, dürften die Volatilität an den Finanzmärkten jedoch wieder steigen lassen. Diese Kräfte dürften im Spätsommer/Frühherbst aufeinanderprallen. Daher erwarte ich, dass das Marktgeschehen im Herbst für Anleger deutlich schwieriger sein wird als während der Liquiditätsflut in den letzten Monaten.

Ich persönlich suche vor allem an den Devisenmärkten, die nervöser regieren als die Aktienmärkte, nach Anzeichen für eine Trendwende.

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