Februar 2021 / PODCAST
„Das Vertrauen ist zurückgekehrt“: Schwellenländer auf dem Weg der Erholung
Die Aussichten für Anlagen in den Schwellenländern, näher betrachtet.
Hören Sie unseren Podcast „Schwellenländer im Fokus“ mit Yoram Lustig, der die Aussichten für die Schwellenländer von allen Seiten beleuchtet. Behandelt werden diverse Themen, von Joe Biden über ESG bis hin zu Umschuldungen und dem Technologie-Wettlauf.
Transkript des Podcasts „Schwellenländer im Fokus“ mit T. Rowe Price
Willkommen zu unserem Podcast „Schwellenländer im Fokus“, den wir am 19. November 2020 aufgezeichnet haben. Zuerst einige organisatorische Punkte. Bitte beachten Sie, dass dieser Podcast ausschließlich für professionelle Anleger bestimmt ist. Er dient zu Marketingzwecken, enthält Meinungen und stellt keine Anlageberatung dar. Bitte lesen Sie die wichtigen Informationen am Ende des Podcasts. Schließlich möchten wir Sie noch daran erinnern, dass der Wert einer Anlage sowie die mit ihr gegebenenfalls erzielten laufenden Erträge sowohl steigen als auch fallen können. Es ist möglich, dass Anleger weniger zurückbekommen als den eingesetzten Betrag. Wertentwicklungen in der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Erträge.
Mein Name ist Amy Maxwell und ich bin Redaktionsleiterin bei Citywire Engage. Bei mir ist heute Yoram Lustig, Head of Multi-Asset Solutions bei T. Rowe Price, mit dem ich über diverse Themen im Zusammenhang mit den Schwellenländern sprechen will. Herzlich willkommen, Yoram.
Hallo Amy, danke für die Einladung.
Ich bin richtig gespannt, denn in den Schwellenländern tut sich momentan wirklich viel. Fangen wir mit einigen der größten Themen des Jahres an – 2020 war ja wahrlich kein nachrichtenarmes Jahr. Im November, also jetzt gerade, hatten wir die Wahlen in den USA, und gewonnen hat Joe Biden. Was bedeutet der Sieg von Biden aus Ihrer Sicht für Anlagen in den Schwellenländern?
Meines Erachtens wird der Sieg von Biden insgesamt wahrscheinlich positive Auswirkungen auf die Schwellenländer haben. Um den Grund dafür zu verstehen, müssen wir aber zunächst fragen, was Biden wohl tun wird. Ich denke, er wird sich als Erstes mit den inneren Problemen der USA beschäftigen, und zwar hat er es dort mit vier Krisen zu tun, die sein Handeln erfordern. Da wäre erst einmal die Pandemie – er wird da wohl ein staatliches Hilfsprogramm auf den Weg bringen. Dann die Wirtschaft: Biden wird voraussichtlich ein Konjunkturpaket und vielleicht auch Investitionen in die Infrastruktur beschließen. Die dritte Krise betrifft die Rassenungerechtigkeit in den USA, die vierte das Klima. Ich denke, die beiden ersten und besonders die vierte werden sich auf die Schwellenländer auswirken. Biden wird wahrscheinlich auch versuchen, zu Beginn seiner Amtszeit gleich ein paar schnelle Erfolge einzufahren, beispielsweise durch einen Wiederbeitritt zum Pariser Klimaabkommen und die Zusammenführung von Kindern mit ihren Eltern an der Grenze zu Mexiko. Das wären ein paar Dinge, die sich schnell machen ließen und die eine große Wirkung auf das öffentliche Bild der USA hätten.
Glauben Sie, es geht darum etwas mehr Mitgefühl zu zeigen? Das waren ja wirklich PR-Katastrophen, besonders die Sache mit den Kindern an der mexikanischen Grenze. Sie glauben also, dass wir demnächst eine öffentliche Demonstration von Empathie erleben werden.
Ich denke, Empathie war eine der Kernbotschaften der Biden-Kampagne. Damit hob er sich von Trump ab, der nie viel Mitgefühl gezeigt hat. Ich sehe darin auch einen der Gründe, warum Biden das Rennen gewonnen hat.
In der Außenpolitik wird die Regierung Biden wahrscheinlich positiver an einige Dinge herangehen und mehr tun beziehungsweise erreichen als die Trump-Regierung. Das hoffe ich jedenfalls.
Wie wird sich das Ihrer Meinung nach auf Anlagen in den Schwellenländern auswirken? Die chinesische Wirtschaft ist ja immer noch sehr stark auf den Export von Waren in den Westen ausgerichtet, und die USA sind nach wie vor ihr größter Abnehmer. Über die Binnennachfrage in China ist ja viel gesagt und geschrieben worden, aber es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis sich daraus echte Konsequenzen für die Politik ergeben.
Stimmt genau, da haben Sie völlig Recht. China hat große Fortschritte bei der Stärkung des inländischen Konsums gemacht. Es hat seine Wirtschaft in dem Sinne umgebaut, dass die Produktion von Rohstoffen und Industriegütern nicht mehr so stark im Vordergrund steht und der Konsum einen höheren Stellenwert hat. Der Anteil des Sektors an der chinesischen Wirtschaftsleistung ist gestiegen. Ich denke aber, dass China noch einen langen Weg vor sich hat, und unter geopolitischen Gesichtspunkten ist es doch zu begrüßen, dass China weiter auf die USA als Absatzmarkt für seine Industriegüter angewiesen ist. Auf der anderen Seite brauchen die USA China, weil China bestimmte Güter produziert, und dieses Spannungsverhältnis ist im Grunde positiv. Ich nenne das Verhältnis zwischen den USA und China den „Kalten Krieg 2“, nicht zu verwechseln mit dem „Kalten Krieg 1“ zwischen den USA und der Sowjetunion. Es gibt keine Massenvernichtungswaffen, keine Atomwaffen, die für ein militärisches Gleichgewicht sorgen. Ich denke, dieses Mal wird das Gleichgewicht der Kräfte dadurch erhalten, dass die beiden Supermächte wirtschaftlich voneinander abhängig sind. Beide brauchen sich gegenseitig, und das schafft eine positive Spannung, die eine zu heftige Eskalation nicht zulässt.
Wie hängt das Ihrer Meinung nach mit Technologie zusammen – Sie haben ja eine Parallele zum Kalten Krieg gezogen? Im Kalten Krieg hatten wir den Wettlauf im All, und jetzt haben wir, wie es aussieht, ein technologisches Wettrennen. Da gibt es Spannungen, und die Munition in der Auseinandersetzung fließt in Technologie. Welchen Einfluss hat das Ihrer Ansicht nach auf Anlagen in Schwellenländern und darauf, wie diese im Verhältnis zu Anlagen in Industrieländern abschneiden?
Meiner Ansicht nach ist das Thema Technologie da und wird uns auch weiter begleiten. Wir erleben eine digitale Revolution, die wahrscheinlich gerade erst begonnen hat. Technologie ist unsere Zukunft. Und sie ist die Zukunft unserer Kinder. Wahrscheinlich wird ihre Bedeutung noch weiter zunehmen, und Sie haben völlig recht, Technologie hat eine enorm wichtige Rolle gespielt. Beispielsweise hat der S&P 500 in diesem Jahr um fast 13% zugelegt, aber wenn man den Technologiesektor ausklammert, sind es weniger als 5%. Der US-Technologiesektor ist in diesem Jahr um mehr als 30% gestiegen und hat wesentlich zur Erholung der US-Börse beigetragen. Im globalen Vergleich sind die Schwellenländer meines Erachtens im Vorteil, weil der Anteil der Technologiewerte dort hoch ist. Vergleicht man den Anteil des Technologiesektors an verschiedenen Märkten, ergibt sich folgendes Bild: Im FTSE 100 entfallen weniger als 1,5% auf den Bereich. Im MSCI Europe sind es etwa 7%. Der MSCI Emerging Markets enthält fast 20% Technologiewerte, der S&P 500 in den USA 27%, also fast 30%. Technologie ist in den USA ein Riesenbereich, aber für die Schwellenländer gilt das auch – China konnte eine eigene Technologiebranche aufbauen, und es gibt dort mehrere globale Technologieriesen. Was den chinesischen Verbraucher angeht, hat China zwar insgesamt tatsächlich noch einen langen Weg vor sich, aber beim Thema Technologie sind die Konsumenten dort schon ziemlich weit. Im nächsten 5-Jahresplan für China, der im März 2021 veröffentlicht werden soll, liegt einer der Schwerpunkte auf dem Technologiesektor und dem Streben des Landes nach technologischer Unabhängigkeit.
Kommen wir nun zum Anleihemarkt. „Beispiellos“ ist ein Wort, das 2020 relativ häufig benutzt wurde. In den Schwellenländern hat es aber in diesem Jahr tatsächlich eine beispiellose Zahl von Umschuldungen gegeben, und nicht alle schienen etwas mit der Pandemie zu tun zu haben. Glauben Sie, dass sich jetzt hohe Schulden rächen, oder sind andere Faktoren im Spiel?
Ich denke, die Umschuldungen in den Schwellenländern wurden durch die Pandemie beschleunigt, aber einige Entwicklungen waren schon vor Corona im Gange und wurden durch die Pandemie nur noch weiter angeheizt. Südafrika befand sich beispielsweise schon vor Corona in der Rezession. Die Rohstoffpreise und die Energiepreise fielen schon vor der Pandemie, und das hatte erhebliche Auswirkungen auf die Rohstoffexporteure in den Schwellenländern. Die Spannungen zwischen den USA und China hatten schon zugenommen, bevor das Virus kam, das war nichts Neues. Vielleicht beschleunigt sich der Prozess durch Corona, aber das Virus war nicht die Ursache. In einigen Industrieländern beobachten wir ja auch einen langfristigen wirtschaftlichen Abschwung, ich denke da etwa an die „Japanifizierung“ Europas. Die Schwellenländer sind in hohem Maße von den Industrieländern abhängig. Global ist es doch so, dass die Schwellenländer Güter produzieren, die von den Industrieländern gekauft werden. Insofern hängen die Möglichkeiten der Schwellenländer, ihre Schulden zu bedienen, und die Anzahl der Zahlungsausfälle und Umschuldungen von der Verfassung der Weltwirtschaft ab. Meines Wissens hatte das globale Wachstum schon vor Corona an Schwung verloren. Die Pandemie hat dann, wie wir wissen, zu einer weltweiten Rezession geführt, und die hatte erhebliche Auswirkungen auf die Schwellenländer. Die gute Nachricht ist, dass sich die Weltwirtschaft schon wieder erholt, und die Meldungen über einen Impfstoff, der uns 2021 wahrscheinlich zur Verfügung stehen wird, stimmen hoffnungsvoll. Somit ist davon auszugehen, dass die wirtschaftliche Erholung 2021 andauern wird, und einige Schwellenländer werden wohl auch davon profitieren. Natürlich müssen Anleger in den Emerging Markets sehr selektiv sein, denn zwischen den einzelnen Ländern gibt es sehr große Unterschiede. Das ist genau die Situation, in der sich aktives Management bezahlt machen kann, indem nämlich gezielt Papiere ausgewählt werden, bei denen kein Zahlungsausfall zu erwarten ist, während Wackelkandidaten gemieden werden. Für aktive Anlageverwalter bieten sich insofern zahlreiche Chancen.
Vielleicht kurz zu dem Thema, welche Rolle die Ausweitung der öffentlichen Verschuldung Ihrer Meinung nach für die Erholung von der Pandemie spielen wird. Können die Hilfen in der jetzigen Größenordnung aufrechterhalten werden? Sie erwähnten ja, dass es eine sehr gute Zeit für aktives Management sei, aber wie groß sind eigentlich die Probleme, die wir dadurch bekommen?
Das ist eine gute Frage, denn in den Industrieländern sind die Bilanzsummen einiger Notenbanken in beispielloser Weise aufgebläht worden. Blicken wir einmal zurück auf die globale Finanzkrise von 2008. Damals betrug die Bilanzsumme von Federal Reserve beziehungsweise EZB rund 2 Billionen USD, heute sind es etwa 7 Billionen USD. Das ist ein gewaltiger Anstieg. Meines Erachtens spielen die Notenbanken mit vollem Einsatz und ohne Ausstiegsstrategie. Also werden sie weiter Geld drucken und ihre Bilanzen aufblähen, solange das erforderlich ist. Ich weiß nicht, wie weit das gehen kann, aber klar ist ja, dass die Möglichkeiten der Notenbanken nicht grenzenlos sind. Auch die öffentlichen Schulden sind auf ein noch nie dagewesenes Niveau angewachsen. Das macht es für die Notenbanken schwierig, die Zinsen zu normalisieren, denn wie kann man die Zinsen erhöhen, wenn die eigene Regierung so hohe Summen zum Bedienen ihrer Schulden benötigt. Es heißt ja in der Finanzwissenschaft, man solle nie sagen „diesmal ist es anders“, weil das dann doch nie zutreffen würde und diese Worte nicht sehr klug seien, aber ich würde sagen, diesmal ist es wirklich anders. Nicht wegen Corona, sondern wegen einer Vielzahl langfristiger Veränderungen wie der Alterung der Bevölkerungen, der wachsenden Staatsschulden, der unwirksamen Geldpolitik, der sinkenden Inflationsraten und der technologischen Disruption. Die Coronakrise hat all diese Veränderungen beschleunigt, und ich denke, wir sind jetzt in einer ganz neuen Situation mit neuen Spielregeln – das wird sich auf die Schwellen- ebenso wie auf die Industrieländer erheblich auswirken.
Lassen Sie uns jetzt über den ESG-Optimismus reden. In Asien gab es ja fast so etwas wie eine ESG-Welle. Von den großen Summen, die im Kampf gegen die Pandemie ausgegeben worden sind, ist ein großer Teil in Ausgaben geflossen, hinter denen die Hoffnung steht, dass wir am Ende eine „grünere“ Wirtschaft haben werden. Glauben Sie als jemand, der in den Schwellenländern investiert, dass so etwas passieren wird? Ist der Optimismus aus Ihrer Sicht angebracht? Zwingen die Verbraucher in Asien die Unternehmen zu Veränderungen?
Ich denke, ESG ist eigentlich kein Trend mehr, sondern die neue Realität. Inzwischen ist das ein Mainstream-Thema. Nachdem ESG noch vor wenigen Jahren hauptsächlich in Ländern wie Skandinavien und den Niederlanden auf der Tagesordnung stand, wanderte das Thema nach Großbritannien und Italien und Spanien. Und wenn wir jetzt mit Kunden in Brasilien oder in Asien sprechen, dann reden sie auch über ESG. Das ist großartig, weil es einerseits gut für die Welt und andererseits gut für Anleger ist. Wenn man nämlich in Unternehmen investiert, die bereits Top-ESG-Standards haben, besteht wenig Potenzial für außergewöhnliche künftige Renditen auf Grund des ESG-Faktors. Geht man aber in Länder in Asien oder Lateinamerika oder in Schwellenländer anderswo, wo sich mit Blick auf die ESG-Standards etwas bewegt, und sucht man sich dort die Firmen heraus, die gerade diesen Weg gehen, kann man von einer künftigen potenziellen ESG-Risikoprämie beziehungsweise -Überrendite profitieren. Denn diese Titel dürften in dem Maße, wie sie ESG-konformer werden, Überrenditen generieren. Ich sehe mit anderen Worten einen Trend, dass in den Schwellenländern das Thema ESG zunehmend in den Fokus rückt, und das gibt uns Möglichkeiten, künftig höhere Renditen zu erzielen.
Wir haben in unserem Podcast über Schwellenländer noch nicht wirklich über Ihr eigenes Engagement an diesen Märkten gesprochen. Ich glaube, Sie haben die Emerging Markets momentan übergewichtet, und das ist zum jetzigen Zeitpunkt eher ungewöhnlich. Wir haben in unserem Podcast viel über die Gründe gehört, warum wir die Schwellenländer positiv beurteilen sollten, aber sagen Sie uns bitte einmal, warum Sie hier doch ein bisschen gegen den Strom schwimmen.
Übergewichtet sind wir in der Tat in Schwellenländeraktien. Der Hauptgrund dafür sind die Bewertungen. In einigen Schwellenländern sind Aktien attraktiver bewertet als in den Industrieländern. Ein weiterer Grund liegt darin, dass wir auf mittlere Sicht eine Abschwächung des US-Dollars erwarten. Unter Biden wird die US-Notenbank, die Fed, wahrscheinlich weiter Geld drucken. Die Inflationsrate könnte früher oder später steigen, aber die Fed ist entschlossen, die Zinsen niedrig zu halten, was den US-Dollar unter Druck setzen wird. Außerdem ist die Zinsdifferenz zu Gunsten des US-Dollars nicht mehr vorhanden. Noch vor einem Jahr waren die Zinsen in den USA viel höher als in Großbritannien und der Eurozone, doch das ist heute nicht mehr der Fall, zum Nachteil für den Dollar. Ein schwacher Dollar ist gut für die Schwellenländer, weil er gleichbedeutend ist mit höheren Rohstoffpreisen. Außerdem können die Schwellenländer auf Dollar lautende Schulden leichter zurückzahlen. Eine weitere Konsequenz ist, dass Kapital eher in die Schwellenländer statt in die USA fließen würde. Ein schwacher US-Dollar ist somit ein weiterer Grund, warum wir die Emerging Markets bevorzugen. Allerdings gehen wir an diesen Märkten sehr selektiv vor. Wir sind fest davon überzeugt, dass in den Schwellenländern durch aktives Management ein beträchtlicher Mehrwert geschaffen werden kann. Wenn man die einzelnen Schwellenländer miteinander vergleicht, liegen China, Korea und Taiwan in Führung, vielleicht, weil sie die Pandemie gut im Griff haben, vielleicht, weil Technologiewerte an diesen Aktienmärkten stark vertreten sind. Dagegen hinken Länder wie Indien und Brasilien hinterher, vielleicht, weil sie immer noch große Probleme mit der Pandemie haben, vielleicht, weil Technologiewerte dort keine große Rolle spielen – und vielleicht, weil etwa Brasilien unter niedrigen Rohstoffpreisen leidet, während Länder wie China, Korea und Taiwan davon profitieren. Insofern sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Schwellenländern beträchtlich, und dadurch eröffnen sich auch beträchtliche Chancen. So viel zu Schwellenländeraktien. Wir sind aber auch in Schwellenländeranleihen übergewichtet. Und zwar in Lokalwährungsanleihen – in Staats- und Unternehmensanleihen aus Schwellenländern, die in US-Dollar denominiert sind, haben wir eine neutrale Position.
Uns gefallen diese beiden Anlageklassen nach wie vor sehr, aber wir haben sie jetzt von übergewichtet auf neutral herabgestuft, weil sie zwar verglichen mit dem heimischen Markt immer noch interessante Renditen abwerfen, aber seit März doch etwas teurer geworden sind. Wir waren also bis dahin übergewichtet und haben von ihrer guten Performance profitiert, aber jetzt sind wir etwas vorsichtiger geworden, und wir glauben auch, dass der Dollar schwächer tendieren wird. Weiterhin übergewichtet sind wir dagegen in Schwellenländeranleihen in Lokalwährung, also in Papieren aus Schwellenländern, die in Schwellenländer-Währungen denominiert sind. Ihre Renditen sind höher als die von Anleihen aus Industrieländern, und in dem extremen Niedrigzinsumfeld, in dem wir uns bewegen, suchen viele Anleger weiter nach interessanten Renditen und werden in hochverzinsliche Anlageklassen wie High-Yield- und Schwellenländeranleihen gehen. Hinzu kommt, dass die Schwellenländer-Währungen aktuell auf sehr niedrigem Niveau notieren. Man profitiert also bei Anlagen in Schwellenländeranleihen in Lokalwährung potenziell von Währungsgewinnen. Ich möchte noch erwähnen, dass beides, Schwellenländeraktien und Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern, so etwas wie eine Wette auf die Weltwirtschaft sind. Wenn Sie von einer Erholung der Weltwirtschaft ausgehen und daran glauben, dass der Impfstoff kommt, dann wäre es doch so, dass eine globale wirtschaftliche Erholung vermutlich zu einem kraftvolleren Aufschwung in den Schwellenländern als in den Industrieländern führen würde. Wer zum jetzigen Zeitpunkt an diesen Märkten investiert, kann das noch auf günstigem Bewertungsniveau tun und hat dann die Möglichkeit, von der erwarteten Erholung der Weltwirtschaft deutlich zu profitieren. Natürlich sind das risikoreiche, volatile Anlagen. Anleger müssen sich über ihre Risikotoleranz im Klaren sein, und wir investieren an den Schwellenmärkten außerdem im Rahmen eines diversifizierten globalen Multi-Asset-Portfolios. Wir sorgen also für Diversifikation, und bei Anlagen in Schwellenländern handelt es sich oft um Wachstumswerte. Diversifikation und aktives Management werden 2021 von entscheidender Bedeutung sein.
Als Sie über Ihre Übergewichtung der Schwellenländer sprachen, erwähnten Sie China, Taiwan und Südkorea, das sind ja alles Länder, in denen Technologie eine große Rolle spielt, und alle haben die Pandemie anscheinend weitaus besser im Griff als wir in Europa. Können Sie mir vielleicht erklären, wie der Umgang dieser Staaten mit der Pandemie Ihrer Ansicht nach mit deren Zukunftsaussichten zusammenhängt?
Wenn man den Nachrichten aus China glaubt, gab es wohl mehrere Gründe, warum es dort gelungen ist, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Einer davon ist das disziplinierte Verhalten der Menschen in diesen Ländern. Ich habe dort Menschen mit Masken gesehen, noch bevor die Pandemie in Europa ankam, und sie tragen ihre Masken auch weiterhin. Wenn ihnen die Regierung sagt, dass sie Abstand halten und zu Hause bleiben sollen, dann tun sie das eben. Aus meiner Sicht ist Disziplin ein wesentlicher Faktor. In China ist möglicherweise auch die nichtdemokratische Regierungsform hilfreich, wenn es um die Bekämpfung etwa einer Pandemie geht. In unseren früheren Gesprächen, Amy, hatten Sie ja schon auf die Erfahrung mit Sars hingewiesen, das war vielleicht eine Art Probelauf. Verglichen mit dem Westen gibt es dort also etwas mehr Erfahrung im Umgang mit Pandemien. Man muss sagen, dass sie darin sehr erfolgreich sind. Aber es sind nicht nur diese Länder, auch Japan gibt in der Pandemie eine relativ gute Figur ab.
Man kann eine Volkswirtschaft dann natürlich sehr viel früher wieder öffnen, und die Lieferketten funktionieren dann auch wieder. Die Menschen können einkaufen gehen. Ich denke mir, das hat einen wesentlichen Einfluss auf das Funktionieren einer Volkswirtschaft.
Einen gewaltigen, einen riesigen Einfluss. Nehmen wir China. Dort ist die Wirtschaft im ersten Quartal geschrumpft, aber das war es auch schon. Die hatten nicht einmal eine offizielle Rezession. Sie wissen ja, von einer offiziellen Rezession spricht man erst, wenn die Wirtschaft zwei Quartale in Folge schrumpft, aber in China war es nur gerade mal ein Quartal. Wahrscheinlich wird China das einzige G20-Land sein, dessen Wirtschaft 2020 wächst. Sie haben auch völlig Recht, es geht bei der Pandemie nicht nur darum, dass die Produktion wieder angefahren wird und die Lieferketten wieder funktionieren, sondern es geht meines Erachtens auch viel um Psychologie. Eines der größten Probleme besteht in der Pandemie darin, dass die Verbraucher verängstigt sind. Sie bleiben zu Hause statt rauszugehen und Geld auszugeben, und sie legen mehr Geld auf die hohe Kante, weil sie nicht wissen, was morgen sein wird. Das Vertrauen ist erschüttert. Das Vertrauen der Menschen spielt für die Wirtschaft eine überragende Rolle, denn wenn die Menschen beschließen, kein Geld auszugeben, schrumpft das BIP. In Ländern wie China, Korea, Taiwan und Japan, wo sie Vertrauen in die Fähigkeit ihres Landes haben, die Pandemie unter Kontrolle zu halten, gehen sie dagegen hinaus und geben Geld aus. Das Vertrauen ist zurück und das ist so ungemein wichtig, damit die Wirtschaft sich erholt – ich sehe darin einen der Gründe, warum es dort so gut läuft.
Das ist doch eine positive Schlussbemerkung. Ich glaube, wir sind am Ende unserer Zeit, aber mir scheint jedenfalls, dass Industrie- und Schwellenländer gerade die Rollen tauschen. Wir können viel davon lernen, was sich derzeit in den Schwellenländern abspielt. Vielen Dank, Yoram, dass Sie Ihre Erkenntnisse mit uns geteilt haben.
Danke, Amy, sehr gerne.
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