Juni 2022 / VIDEO
Was bringt die Zukunft für die Schwellenländer?
Der Ausblick für die Schwellenländer ist uneinheitlich: Während die Aussichten für Asien günstig erscheinen, drohen anderen Regionen Probleme
Der Wachstumsausblick für die Schwellenländer ist durchwachsen, und zwischen den einzelnen Regionen bestehen erhebliche Unterschiede. Die Inflation bleibt ein Risiko, und die Zentralbanken der Schwellenländer befinden sich bei ihren Zinserhöhungszyklen zur Inflationsbekämpfung in unterschiedlichen Phasen. Anlagechancen bieten sich möglicherweise in Ländern, in denen die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat und die Zinsen sinken könnten, sowie in ausgewählten Hochzinsanleihen.
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Was bringt die Zukunft für die Schwellenländer?
Wie sind die Wachstumsaussichten für die Schwellenländer?
Der Ausblick für die Schwellenländer ist ausgesprochen uneinheitlich, und zwischen den einzelnen Regionen bestehen erhebliche Unterschiede. Die besten Aussichten hat meines Erachtens Asien, wo die Volkswirtschaften nach einer langen Phase pandemiebedingter Herausforderungen im Jahr 2021 allmählich wieder geöffnet werden. Wie in anderen Teilen der Welt zu beobachten war, führt diese Wiederöffnung zu einer natürlichen Belebung der Binnennachfrage in den Volkswirtschaften – und die kommen gerade erst in Fahrt.
Doch in anderen Ländern, beispielsweise in Lateinamerika und Mitteleuropa, sind meiner Ansicht nach größere Schwierigkeiten zu erwarten, was ich auf zwei Faktoren zurückführe. Der erste ist, dass die Zentralbanken Maßnahmen zur Abkühlung der Wirtschaft ergreifen, um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Und in einigen der Schwellenländer ist dieser Zinserhöhungszyklus bereits recht weit fortgeschritten. Die ersten Folgen dieser Entwicklung dürften sich in der zweiten Jahreshälfte zeigen.
Der zweite Faktor ist der negative Einfluss der Industrieländer, die ebenfalls beginnen, die Zinsen zu erhöhen und die Binnennachfrage abzukühlen. Gleichzeitig dürfte sich die Nachfrage von den während der Pandemie und der Lockdowns konsumierten Gütern wieder stärker auf Dienstleistungen und Außer-Haus-Aktivitäten verlagern, die in den Volkswirtschaften der Schwellenländer viel stärker von der Binnenwirtschaft dominiert sind.
Daher rechne ich in den Schwellenländern mit einer Abschwächung der Exporte, die wiederum das Wachstum belasten dürfte, insbesondere in Lateinamerika und auch in Mitteleuropa.
Inwieweit gefährdet der Krieg in der Ukraine die Erholung der Schwellenländer nach der Covid-Krise?
Die tragischen Ereignisse des Kriegs in der Ukraine sind für die Schwellenländer ebenfalls eine Bedrohung – weniger durch den Krieg selbst als vielmehr durch seine negativen Ausstrahlungseffekte, insbesondere auf die Rohstoff- und Lebensmittelmärkte. Der Krieg ist also ausgebrochen. Das ist wahrhaft eine Tragödie. Ich glaube, dass die Märkte die Wahrscheinlichkeit eines Krieges unterschätzt haben, weil solche Ereignisse so selten sind. Doch nun ist uns bewusst geworden, dass die Ukraine selbst ein wichtiger Lebensmittelproduzenten für den Rest der Welt ist. Sie exportiert insbesondere Lebensmittel wie Weizen und Speiseöle, und an diesen Waren wird künftig weltweit Mangel herrschen.
Die zweite Bedrohung durch den Krieg in der Ukraine betrifft Düngemittel, da Russland und Belarus wichtige Düngemittelexporteure sind. Beide Länder wurden mit Sanktionen belegt. Dadurch wird es für den Rest der Welt schwieriger werden, die Produktionsausfälle in der Ukraine zu kompensieren. Die dritte Bedrohung ergibt sich durch die Frage, ob Energiesanktionen gegen Russland verhängt werden oder nicht. Bisher haben die USA und die EU es weitgehend vermieden, die russischen Energieexporte in den Rest der Welt vollständig zu unterbinden. Doch wenn sie sich zu diesem Schritt entschließen, würde dies zu einem Defizit am Energiemarkt führen. Zum Teil ist diese Entwicklung bereits in Form von steigenden Energiepreisen sichtbar, die weltweit zu Inflationsdruck führen.
Wie dürfte sich die Inflation im nächsten Jahr auf die Schwellenländer auswirken?
Die Inflation stellt in diesem Jahr sowohl für Schwellen- als auch für Industrieländer eine große Herausforderung dar. Der Preisanstieg begann im letzten Jahr. Überraschend ist, wie stark die Inflation im Zuge der Wiederöffnung der Volkswirtschaften zugenommen hat. In den Schwellenländern war dies vor allem in Lateinamerika sowie in Mittel- und Osteuropa spürbar. Lateinamerika sowie in Mittel- und Osteuropa spürbar.
Für das Wirtschaftswachstum ist dies definitiv ein Risiko. Die Zentralbanken müssen recht entschlossen handeln, um die Preisentwicklung wieder unter Kontrolle zu bringen. Insbesondere die Schwellenländer nehmen die Inflation sehr ernst. Die Maßnahmen ihrer Zentralbanken zur Inflationsbekämpfung sind aus meiner Sicht ein Zeichen für den institutionellen Erfolg der Schwellenländer, die vor über 20 Jahren Inflationsziele eingeführt haben.
Die Zentralbanken handeln sehr schnell, um sicherzustellen, dass die ersten Inflationsschübe nicht zu Zweitrundeneffekten führen oder die Inflationserwartungen aus dem Gleichgewicht bringen. Einige von ihnen haben daher die Zinssätze um mehrere hundert Basispunkte angehoben und setzen diese Politik fort. Meiner Ansicht nach wollen sie damit signalisieren, dass sie alles Notwendige tun werden, um die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen. In gewisser Weise navigieren sie derzeit wohl nach den Sternen – um einen Ausdruck zu verwenden, den auch andere Kommentatoren benutzt haben. Doch die Inflationsmodelle, auf die sie sich stützen, sind weitgehend zusammengebrochen.
Somit versuchen sie, einfach möglichst viel zu tun, bis es ihnen gelingt, die Inflation einzudämmen. Ich denke, dass sich einige Länder bereits in einer recht späten Zyklusphase befinden. Andere, etwa die asiatischen Volkswirtschaften, die gerade erst wieder geöffnet werden, haben noch nicht einmal damit begonnen, die Zinsen ernsthaft anzuheben. Und dieses Thema dürfte in der zweiten Hälfte dieses Jahres und im Jahr 2023 im Mittelpunkt stehen.
Im Moment sehen sich die Anlageklassen der Schwellenländer insgesamt mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert, sodass die Anlagechancen in den nächsten Monaten recht begrenzt sein dürften. Doch in der zweiten Jahreshälfte und im Jahr 2023 dürfte sich das Chancenspektrum ausweiten.
Wo könnten sich in den Schwellenländern in nächster Zeit die besten Chancen bieten?
Für besonders attraktiv halte ich auf Lokalwährung lautende Zinspapiere in Ländern, die einen Großteil der Zinserhöhungen bereits vorgenommen haben. Dort könnte die Inflation den Höhepunkt erreicht haben oder ihn zumindest in den nächsten sechs Monaten erreichen. Somit können die Zentralbanken allmählich ihren Kurs ändern und mögliche Zinssenkungen im Jahr 2023 anvisieren, wodurch in diesem Marktsegment attraktive Anlagechancen bei Durationspositionen entstehen.
An den Devisenmärkten ist die Lage aus meiner Sicht deutlich schwieriger. Die Entwicklung wird viel stärker von den Aussichten für den US-Dollar abhängen, der durch die verspäteten, aggressiven Zinserhöhungen der US-Notenbank Auftrieb erhält. Viele Schwellenländerwährungen erscheinen strukturell sehr günstig bewertet, doch eine nachhaltige Aufwertung dürfte ihnen schwerfallen. Ich denke, dass sie einen gewissen zyklischen Auftrieb erhalten könnten, wenn sich die Terms of Trade verbessern, insbesondere im Fall von Rohstoffexporteuren.
Unter den US-Dollar-Anleihen sehe ich einige Bewertungschancen im Hochzinssegment, insbesondere im Vergleich zu US-Hochzinsanleihen. Im Investment-Grade-Segment der US-Dollar-Anleihen aus Schwellenländern sind die Bewertungen recht hoch und spiegeln meines Erachtens den defensiven Charakter der Staatshaushalte einiger dieser Länder wider, die in den letzten Jahren viel getan haben, um ihre Finanzkraft zu stärken.
Ich denke jedoch, dass die Lage an den Anleihemärkten generell schwierig bleibt, da die US-Notenbank die Finanzierungsbedingungen weiter strafft. Ich bin lediglich der Ansicht, dass diese Schwierigkeiten in Schwellenländeranleihen in größerem Maße eingepreist sind als in anderen US-Dollar-Papieren.
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