März 2022 / INVESTMENT INSIGHTS
Das Ausfallpotenzial bei russischen Anleihen verstehen
Die jüngsten Entwicklungen trüben Russlands Konjunkturaussichten zusätzlich.
Auf den Punkt gebracht
- Russland hat zwar die Kuponzahlungen für zwei seiner auf US-Dollar lautenden Anleihen angewiesen, doch ein Ausfall bei russischen Schuldpapieren bleibt durchaus möglich.
- Durch die jüngsten Ereignisse verschlechtert sich der Zustand der ohnehin bereits angeschlagenen russischen Wirtschaft weiter. Die Schwellenländer (EM) wiederum dürften volatil bleiben.
- Wir bei T. Rowe Price waren innerhalb des Segments der EM-Anleihen zu Beginn des Jahres in russischen Schuldtiteln untergewichtet. Wir überwachen das Management und die Bewertungen dieser Positionen aktiv.
Was ist geschehen?
Nachdem die Marktteilnehmer bestürzt über einen möglichen Ausfall spekuliert hatten, hat Russland die Kuponzahlungen für zwei seiner auf US-Dollar lautenden Anleihen angewiesen. Dies sorgte für Erleichterung an den Märkten, und nach der Meldung über diese Zahlungen legten die Kurse der Papiere deutlich zu. Dies sollte aber nicht als ein verlässliches Indiz dafür gewertet werden, was mit den restlichen russischen Fremdwährungsanleihen mit einem Gesamtvolumen von mehr als rund 40 Mrd. USD geschehen könnte.
Der andauernde Krieg in der Ukraine hat dazu geführt, dass die Auslandsanleihen des russischen Staats sehr schnell auf Niveaus gesunken sind, die einen Ausfall sehr wahrscheinlich erscheinen lassen. Allerdings kommt ein Zahlungsausfall bei Staatsanleihen extrem selten vor, und sollte er tatsächlich erklärt werden, dann wäre dies für Russland das erste Mal seit 1998. In den letzten Wochen haben alle großen Ratingagenturen russische Anleihen von Investment Grade auf „Schrottniveau“ herabgestuft.
Seit Russland Ende Februar in die Ukraine einmarschierte, haben westliche Staaten scharfe Wirtschaftssanktionen gegen das Land verhängt und unter anderem etwa die Hälfte des Vermögens der Zentralbank eingefroren. Dadurch ist Russland wirtschaftlich praktisch isoliert, und sowohl die Finanzmärkte als auch der Rubel, der auf Rekordtiefs gesunken ist, stehen massiv unter Druck.
Was bedeutet das für die Märkte?
Auf Russlands Auslandsanleihen dürften die Ereignisse kaum Auswirkungen haben, denn sie notierten – wie erwähnt – schon seit einiger Zeit auf extrem tiefen Niveaus, die auf eine hohe Ausfallwahrscheinlichkeit hindeuten. Durch die Entwicklungen könnte sich die Aufmerksamkeit zum Teil auch auf die Ukraine richten, die nicht müde wird zu betonen, dass sie ihre Auslandsanleihen vorerst weiter bedienen wird. Wir sind aber der Ansicht, dass für die Ukraine irgendeine Form von Schuldenumstrukturierung letztendlich nötig sein dürfte.
Die Schwellenländer (EM) im Allgemeinen dürften einstweilen volatil bleiben. Die Kreditrisikoprämien von EM-Anleihen haben sich in der letzten Zeit ausgeweitet, weil die Anlegerstimmung stark unter der Ukraine-Krise und der Aussicht auf eine Straffung der Geldpolitik durch die großen Zentralbanken, zum Beispiel durch die US-Notenbank, zu leiden hatte. Dadurch waren EM-Anleihen von Mittelabflüssen betroffen – ein Trend, der unseres Erachtens kurzfristig andauern könnte.
In volatilen Zeiten halten wir es für überaus wichtig, an unseren Anlageprozess, der sich vor allem auf Fundamentalanalysen und eine langfristige Anlageperspektive stützt, konsequent festzuhalten. Vor diesem Hintergrund sind wir der Auffassung, dass die Ausweitung der Kreditrisikoprämien in der letzten Zeit dazu beigetragen hat, die Bewertungen in anderen Teilen des Universums der EM-Anleihen zu verbessern. Deshalb bleiben wir für diese Anlageklasse zuversichtlich. Die Renditen und Spreads bewegen sich allmählich in Bereichen, die EM-Anleihen im Vergleich zu anderen Anleihesegmenten attraktiv machen.
Gibt es allgemeinere makroökonomische Auswirkungen?
Die jüngsten Entwicklungen bei russischen Anleihen verschlechtern den ohnehin bereits dürftigen Zustand der russischen Wirtschaft weiter. Seit einer Generation wurden keine so scharfen Sanktionen verhängt wie jetzt gegen Russland. Sie dürften eine starke Schrumpfung der russischen Wirtschaft auslösen.
Unseres Erachtens könnte die Lage in der Ukraine vor allem über zwei Kanäle auf breiterer Front auf die Schwellenländer übergreifen: über die Rohstoffpreise und die Finanzströme. Rohstoff importierenden Ländern wie Indien droht durch höhere Rohstoffpreise ein negativer Terms-of-Trade-Schock, der wahrscheinlich Erträge aus der Wirtschaft abzieht, zur Inflation führen und die Aktivität verlangsamen könnte. Für Rohstoff exportierende Länder wie Brasilien könnten sich steigende Rohstoffpreise positiv auf die Terms of Trade auswirken, was in eine stärkere wirtschaftliche Aktivität und eine Verbesserung der Bonität münden dürfte. Der Inflationsdruck könnte zur Folge haben, dass die Zentralbanken der Schwellenländer die Zinsen stärker erhöhen und längere Zeit auf höheren Niveaus halten. Bislang kam es an den EM-Zinsmärkten allerdings nur zu einer mäßigen Neubewertung, weil aggressive Zinserhöhungen bereits in einem gewissen Umfang eingepreist waren.
Wie oben erwähnt, waren aufgrund der Krise Mittelabflüsse aus Schuldpapieren der Schwellenländer zu verzeichnen. Wir beurteilen derzeit, welche potenziellen Auswirkungen die Entscheidung von J.P. Morgan, Russland am 31. März aus den eigenen EM-Benchmarks auszuschließen, auf andere Schwellenländer haben könnte. Bei den Auslandsanleihen von Schwellenländern wird die Neugewichtung durch Russlands Ausschluss auf mehrere Länder gleichmäßig verteilt, bei Lokalwährungsanleihen der Schwellenländer wird dies eher konzentriert geschehen, wobei Brasilien, Thailand und Malaysia ihre Marktanteile vergrößern werden.
Haben die jüngsten Entwicklungen rund um Russlands Auslandsanleihen direkte Auswirkungen auf die Portfolios von T. Rowe Price?
Am Jahresanfang wiesen die Anlagestrategien von T. Rowe Price, mit Ausnahme der Emerging Europe Equity Strategy, sehr geringe Positionen in russischen und ukrainischen Wertpapieren auf. Im Segment der EM-Anleihen waren wir in Russland klar untergewichtet. Die große Mehrzahl der Strategien von T. Rowe Price wies keinerlei Engagement in Russland auf.
T. Rowe Price überwacht den eigenen Ansatz für das Management und die Bewertung dieser Positionen aktiv. Aufgrund der Eskalation der Ereignisse in der Ukraine und Russland und des sehr unsteten Marktumfelds können die aktuellen Positionen und Länderengagements von den Angaben für den letzten Berichtszeitraum per 28. Februar 2022 abweichen.
T. Rowe Price hat auch die jüngsten Entwicklungen in Bezug auf die Sanktionen gegen Russland aktiv überwacht. Wir befolgen die Durchführungsverordnung („Executive Order“) 14024 und die zugehörigen Richtlinien und beachten die von Großbritannien und der EU gegen Russland verhängten Sanktionen. Unsere Systeme, die vor einem Handel unsere Compliance sicherstellen sollen, haben wir um Kontrollen erweitert, um zu gewährleisten, dass wir keine Anlagen oder Verkäufe tätigen, die gegen die Executive Order oder andere geltende Sanktionspakete verstoßen.
Was jetzt wichtig ist
Für die betroffenen Anleihen gilt eine 30-tägige Schonfrist, ehe ein Ausfall möglicherweise erklärt wird. Da für andere russische Auslandsanleihen in den nächsten Wochen Kupon- und Tilgungszahlungen fällig werden, rechnen wir mit weiteren Bekanntmachungen und Meldungen zu diesem Thema.
Ganz allgemein behalten wir die Situation in der Ukraine sehr genau im Auge. Unser Basisszenario geht davon aus, dass sich der Krieg noch längere Zeit hinzieht, die Gespräche zwischen der Ukraine und Russland aber fortgesetzt werden und die Dinge sich sehr schnell ändern könnten. Die Stimmung könnte umschlagen, wenn sich eines der Extremrisiken bewahrheitet – entweder gibt es Anzeichen für eine Beilegung des Konflikts, was gut für die Stimmung wäre, oder die Lage verschlechtert sich, was die Stimmung weiter belasten würde.
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