Mai 2021 / INVESTMENT INSIGHTS
Wie geht es mit Chinas geopolitischen Beziehungen weiter?
Die Spannungen sind weiterhin hoch, aber es zeichnet sich eine Rückkehr zu mehr Multilateralität in den Verhandlungen ab
Überblick
- China ist nach wie vor bestrebt, sich im Rest der Welt zu engagieren und Handel zu treiben, aber wir erwarten, dass der Technologiewettbewerb und die Spannungen im Zusammenhang mit der Sicherheit der Lieferketten zwischen den USA und China anhalten.
- Aus unserer Sicht verfolgt die Biden-Regierung in den US‑chinesischen Beziehungen einen strategischeren und ganzheitlicheren Ansatz. Wir erwarten, dass die USA in den Verhandlungen mit Peking auf Diplomatie und auf Verbündete setzen.
- Die Besorgnis in der Öffentlichkeit wegen China stellt für die US-amerikanischen Gesetzgeber einen politischen Anreiz für schärfere Maßnahmen dar. Folglich sind auf kurze Sicht Beschlüsse wie beispielsweise Zollerleichterungen womöglich nicht umsetzbar.
Marktteilnehmer haben Chinas wechselhafte Beziehungen zu den Vereinigten Staaten genau beobachtet. Die Spannungen zwischen den USA und China wurden durch Handelskriege, Sanktionen, Menschenrechtsverletzungen und Drohungen, chinesischen Unternehmen die Börsenzulassung zu entziehen, verstärkt.
Obwohl es Anzeichen für wirtschaftlichen Protektionismus gibt, hat China nach wie vor den Wunsch, mit dem Rest der Welt zusammenzuarbeiten. Der neue, vierzehnte Fünfjahresplan (2021–2025), der im März 2021 vom Nationalen Volkskongress beschlossen wurde, umfasst die umfassende Öffnung der chinesischen Wirtschaft, indem neue Handelsabkommen angestrebt und verstärkt um ausländische Investitionen in den Bereichen industrielle und Finanzdienstleistungen geworben wird. Angesichts dieser gegenläufigen Effekte fragen sich Anleger, ob eine weitere Eskalation der geopolitischen Spannungen den chinesischen Bemühungen um neue Beziehungen und eine weiter fortgeschrittene Volkswirtschaft bis 2035 zuwiderläuft.
Die Beziehungen zwischen den USA und China sind weiterhin belastet, aber die Biden-Regierung dürfte einen strategischeren Ansatz verfolgen
Zeitleiste der US-chinesischen Beziehungen
Die Biden-Regierung wird in den US‑chinesischen Beziehungen wahrscheinlich einen strategischeren und ganzheitlicheren Ansatz verfolgen und die Wettbewerbsfähigkeit der USA herausstellen
In den ersten Monaten seiner Amtszeit konzentrierte sich Joe Biden auf den Aufschwung nach der Coronavirus-Pandemie, indem zum einen eine Impfkampagne begann und zum anderen ein umfangreiches Konjunkturpaket mit einem Umfang von 1,9 Billionen USD aufgelegt wurde. Obwohl die Pandemie für Präsident Biden oberste Priorität hat, hat er auch explizit und implizit auf die Bedeutung der nationalen Sicherheit und den wirtschaftlichen Wettbewerb mit China hingewiesen. Während die Biden-Regierung sich in den meisten Punkten klar von ihrer Vorgängerin absetzt, klang ihre Rhetorik zu den US-chinesischen Beziehungen oft vertraut.
Allerdings dürfte die Haltung der neuen Regierung in den Handelsgesprächen zurückhaltender und multilateraler sein; daher könnte die US-Handelspolitik mehr auf Regeln basieren und vorhersehbarer werden, sodass die Risikoprämie auf dem Markt sinken würde. Aber auch im Falle eines überlegteren Ansatzes wird das Risiko einer Eskalation nicht vollständig verschwinden, vor allem wenn man die Skepsis bedenkt, die im Weißen Haus und im Kongress herrscht.
Präsident Bidens Sichtweise Chinas als „strategischen Gegner“ entspricht zwar zum Teil den Sorgen, die auch Vertreter der Trump-Regierung geäußert hatten, doch unter Joe Biden wird das Weiße Haus wahrscheinlich zusätzliche und besser koordinierte politische Instrumente einsetzen, um die verschiedenen Facetten des Verhältnisses zu beleuchten. Der Kongress wird aller Voraussicht nach die parteiübergreifende Prüfung der Marktpraktiken Chinas, der Schritte der chinesischen Regierung und der geopolitischen Risiken in der Region fortsetzen, wobei schon bald mit einem neuen Gesetzespaket zum Verhältnis zwischen den USA und China zu rechnen sein dürfte. Da die breite Öffentlichkeit diese größere Selbstsicherheit begrüßt, besitzt der Gesetzgeber politischen Spielraum für schärfere Maßnahmen. Folglich sind auf kurze Sicht Beschlüsse wie beispielsweise Zollerleichterungen womöglich nicht umsetzbar — vor allem solange keine eingehenderen Verhandlungen zwischen den USA und China stattfinden.
Während der gesamten Amtszeit von Donald Trump waren die US-chinesischen Beziehungen von kämpferischen Tönen aus dem Weißen Haus geprägt. Wir gehen davon aus, dass die Biden-Regierung statt auf offene Feindschaft und Konfrontation auf diplomatische Verhandlungen unter Einbeziehung von Verbündeten und Partnern aus der Region setzen wird. Außerdem könnte die Biden-Regierung in bestimmten Bereichen mit China zusammenarbeiten, insbesondere beim Klimawandel und in besonderen Fragen der nationalen Sicherheit.
Die Beziehungen zwischen Europa und China dürften komplex bleiben
Wenn die USA effektive Verhandlungen mit China führen wollen, müssen sie sich mit der Europäischen Union (EU) zusammentun und gleichzeitig im Verhältnis mit Peking auf die Gemeinsamkeiten setzen — eine komplexe und nuancenreiche außenpolitische Herausforderung. Obwohl die Haltung gegenüber China in vielen Ländern unnachgiebiger geworden ist, scheinen die europäischen Verbündeten zu zögern, um nicht in eine Konfrontation mit China wie zu Zeiten des Kalten Kriegs hineingezogen zu werden. Obwohl nach unserem Dafürhalten allgemein der Wunsch nach Dialog und Diskussion besteht, befürworteten die meisten EU-Mitgliedstaaten einen sorgfältigen, schrittweisen Ansatz, vor allem in den Gesprächen mit China über kommende Infrastrukturprojekte wie die 5G-Einführung. Nach einer Rede, die Joe Biden kürzlich auf einer Konferenz in München gehalten hat, betonten sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch der französische Präsident Emmanuel Macron die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit China und signalisierten, dass ein stufenweiser Ansatz wohl der beste Weg zur Stärkung der Partnerschaft zwischen den USA und der EU wäre.
Aus unserer Sicht ist das Zögern der USA, substantiellere Gespräche mit China aufzunehmen, ein Versuch, einen größeren öffentlichen Zusammenschluss unter Verbündeten zu bilden, der ihnen mehr Verhandlungsmacht als ein bilateraler Ansatz verschafft. Allgemein erwarten wir, dass die US-Vertreter eine gemeinsame Haltung mit Europa in Fragen wie dem Umgang Chinas mit den muslimischen Uiguren, den Schritten der chinesischen Regierung in Hongkong und dem erschwerten Marktzugang für multinationale Firmen anstreben. Aber technische Angelegenheiten wie beispielsweise die 5G-Debatte, die die transatlantischen Beziehungen während der Ära Trump belastete, besitzen das Potenzial, Fortschritte und die Akzeptanz zunichte zu machen.
China ist nach wie vor bestrebt, sich im Rest der Welt zu engagieren und Handel zu treiben
Während die Biden-Regierung China kritisch sieht, übt sich auch Peking in größerer Zurückhaltung gegenüber Washington; das Verhältnis könnte also wechselhaft bleiben. China ist sich der aktuellen Dynamik in den Beziehungen mit den USA voll bewusst, und diese Spannungen waren beim ersten Treffen hochrangiger Vertreter Chinas und der neuen US-Regierung nicht zu übersehen.
Obwohl Peking hofft, aus den geänderten Tönen der Biden-Regierung Nutzen zu schlagen, erscheint es unwahrscheinlich, dass das Land einseitige Zugeständnisse macht — vor allem wenn keine umfassenden Verhandlungen vorausgehen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Peking einen technologie- und innovationspolitischen Strategiewechsel vollzogen hat und eine offenere Diskussion über eine längerfristige Rivalität mit den USA führt.
China will seine Stellung innerhalb der Weltwirtschaft festigen
Abschluss von Handelsabkommen und neuer Partnerschaften, um die Öffnung der Wirtschaft voranzubringen
Generell will China seine Stellung innerhalb der Weltwirtschaft festigen. Für Peking ist ein großer, entwickelter inländischer Finanzmarkt, auf dem in Renminbi gezahlt wird, eine entscheidende Voraussetzung für die langfristig angestrebte Internationalisierung seiner Währung. Die Kapitalmarktreform ist ein Kernbestandteil des vierzehnten Fünfjahresplans und die Aussicht auf größere Kapitalzuflüsse aus dem Ausland ist entscheidend für die Verwirklichung dieses Ziels.
Der Fünfjahresplan sieht trotz externer Herausforderungen auch die umfassende Öffnung der chinesischen Wirtschaft durch die weitere Liberalisierung von Handel und Investitionen vor, um „die weltweite Zusammenarbeit zu verstärken“. Peking bemüht sich verstärkt darum, Handelsabkommen mit anderen Ländern abzuschließen, und hat gleichzeitig aggressiv Sektoren für ausländische Anlagen geöffnet. Zu den zuletzt abgeschlossenen Vereinbarungen gehören die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) zwischen 15 Ländern des Asien-Pazifik-Raums vom November 2020 und das Umfassende Investitionsabkommen (CAI Agreement) zwischen der EU und China. Das Umfassende Investitionsabkommen ist für die EU besonders wichtig, weil es eine wesentliche Öffnung des chinesischen Binnenmarkts für Unternehmen aus der EU beinhaltet.
Diese Vereinbarungen schließen sich an die bereits bestehende Belt and Road Initiative (BRI) an, über die China seinen Einfluss in den Schwellenländern vergrößern will. Die BRI selbst, die bisher stark auf Infrastrukturprojekte fokussiert war, verlagert zurzeit ihren Schwerpunkt auf den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen durch die Integration der Lieferketten und die digitale/IT-Integration. Ein weiterer Bereich, der in die flexible BRI aufgenommen werden kann, ist die Impfstoffverteilung. China betreibt inzwischen „Impfstoff-Diplomatie“, denn es hat über 45 Ländern 500 Millionen Dosen seiner Impfstoffe zugesagt. Vier chinesische Impfstoffhersteller haben erklärt, sie könnten dieses Jahr noch mindestens 2,6 Milliarden Dosen liefern.
Chinas Wirtschaftskraft motiviert zu mehr Diplomatie
Obwohl in den letzten Jahren die Spannungen gewachsen sind, spielt China weiterhin eine herausragende Rolle in der Weltwirtschaft und bietet bedeutende Gelegenheiten für Anleger. Allerdings ist das geopolitische Umfeld unbeständig und neigt gleichzeitig auch zu Eskalationen, sodass es ständig im Auge behalten werden muss. Unternehmen existieren auch vor dem Hintergrund geopolitischer Risiken, und wenn die Beziehungen angespannt sind, kann es schwieriger werden, normale Geschäfte zu führen. Da die meisten internationalen Unternehmen inzwischen Asien und insbesondere China als ihren künftigen Hauptwachstumsmarkt betrachten, wird die Bewertung der Rolle Chinas in der internationalen Diplomatie einen wertvollen Beitrag zur Risikobewertung darstellen.
Die Fundamentaldaten des Marktes sind weiterhin günstig für Anlagen, und wir beobachten, dass weitere Teile der chinesischen Wirtschaft nach der COVID-19-Pandemie geöffnet werden und eine wachsende Zahl ausländischer Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit in China ausweiten. Letzten Endes könnten die wirtschaftlichen Chancen, die Investitionen in China eröffnen, zu besseren Beziehungen zu anderen globalen Partnern motivieren, zumal immer mehr Wirtschaftsräume beginnen, sich von der Pandemie zu erholen. In einer immer stärker integrierten globalen Wirtschaft hängt der Wohlstand eines Landes nicht nur von der Entwicklung seiner eigenen Wirtschaft ab, sondern auch von der globalen Wirtschaftsentwicklung.
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